Interview
Maria, was hast du eigentlich gemacht, bevor du Yogalehrerin wurdest?
Maria Knebel: Nach dem Abitur habe ich im Kindergarten ein Praktikum gemacht, danach hatte ich für eineinhalb Jahre einen Projektjob in einer Bank. In dieser Zeit beschäftigte mich die Frage: Was mache ich im Anschluss? Eigentlich wollte ich keine Schulbank mehr drücken und studieren wollte ich auch nicht wirklich. Also, ich wusste nicht so richtig, was. Ich hatte einige Ideen: Musiktherapie und Physiotherapie, alles Mögliche. Aber irgendwie kam da nichts in mir zustande.
Durch einen Freund war ich aber schon vorher, so in der Zeit des Abiturs, zum Shiatsu gekommen, später über einen Workshop dann auch zum Tai Chi und Okido Yoga. Das hat mir einfach Spaß gemacht. Es war so leicht und spielerisch. Ich hatte als Kind keinen wahnsinnstollen Bezug zum Körper und zur Bewegung. Ich war eher still, spielte Klavier, habe gelesen und gemalt. Aufgewachsen auf dem Land, war ich natürlich auch viel draußen zum Spielen und mit dem Rad unterwegs. Aber diese Sportgeschichte in der Schule, Ballett oder im Turnverein war nicht so meins. Doch jetzt war es ganz anders. Ich hatte wirklich total Freude an der Bewegung. Ich dachte: Das ist wirklich etwas, was ich gerne weitergeben möchte. Diese Freude an der Bewegung, an der Körperarbeit.
Dann hast du aber erst die Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin gemacht?
Maria Knebel: Ja, das stimmt. Aber gleichzeitig habe ich auch begonnen, in Tübingen Psychologie zu studieren. Ich dachte, dass das eine gute Kombination mit der Körperarbeit wäre. Nach dem 5. Semester war mir allerdings klar, dass ich voll in die Körperarbeit eintauchen möchte und habe die Uni verlassen. Okido Yoga habe ich zwar parallel gemacht, aber ich hatte nicht den Anspruch, Yogalehrerin zu werden. Ich wollte Shiatsu-Praktikerin werden, habe aber gemerkt, dass ich dafür einfach Stabilität brauche, körperlich. Die hatte ich damals nicht. Ich war zwar sehr flexibel und diszipliniert, aber nicht sehr kräftig und stabil. Du brauchst als Shiatsu-Praktikerin einfach Stabilität, für all diese Berufe, in denen du mit Menschen arbeitest, brauchst du das. Ich habe also gemerkt, ich muss mich einfach sehr gut konditionieren und körperlich fit sein.
Aber zunächst musstest du dir eine Schule suchen und die hast du in den Niederlanden gefunden. Wie kam es dazu?
Maria Knebel: Damals gab es ja nicht das umfangreiche Angebot an Yoga-Ausbildungen, so wie heute. Was es damals in Stuttgart oder im Raum Deutschland an Ausbildungen gab, das war mir ehrlich gesagt zu wenig dynamisch und umfassend. Ich war ja recht flexibel, aber es fehlte mir an Kraft. Schließlich habe ich gehört, dass es in Holland einen Workshop gibt. Mit Shiatsu und Okido Yoga-Training. Das war dann ganz schön saftig. Streng, diszipliniert, aber auch mit einer großen spirituellen Tiefe.
Danach habe ich mir ein Ausbildungswochenende angeschaut und wusste: Okay, das will ich jetzt machen und dann habe ich die Ausbildung dort begonnen. Von den drei Jahren Ausbildung habe ich eineinhalb Jahre im Dojo in Laren, in den Niederlanden gelebt.
Und innerhalb der Ausbildung bist du auch nach Japan gegangen?
Maria Knebel: Nein, da war ich schon fertig mit der Ausbildung, ich habe in Japan noch einen Life-Encounter-Kurs gemacht. Davor war ich noch für vier Monate in London und habe im dortigen Okido Yoga-Zentrum, geholfen. In Japan war ich drei Monate und danach habe ich noch in Australien, im Dojo in Melbourne, fast ein halbes Jahr gearbeitet. Ich habe am Anfang nur in Englisch unterrichtet, in Holland, in London und in Melbourne.
Macht das einen Unterschied?
Maria Knebel: Der Unterricht auf Englisch ist schon angenehmer gewesen. Im Englischen sagst du einfach: Bring Up your legs oder raise your head oder so. Das klingt alles nicht so preußisch streng. Ich glaube, damit haben wir im Deutschen vielleicht durch unsere Geschichte Schwierigkeiten. Das Englische klingt für uns einfach sanfter. Deswegen bin ich ganz froh, dass ich zunächst in Englisch zu unterrichten begann. So begriff ich, dass ich gut vermitteln kann.
Erst hatte ich große Scheu, jemandem zu sagen, was er tun soll. Diese Autorität! Ich habe immer gedacht: Ich kann doch nicht den Leuten sagen, was sie tun sollen. Ich weiß doch gar nicht so viel, bis ich dann realisiert habe: Ich weiß immer noch mehr als manch andere.
Außerdem habe ich gemerkt, dass es mein Ding ist, das zu tun. Ich habe bestimmte Qualitäten, unter anderem kann ich gut coachen und vermitteln. Das hat man mir immer wieder als Feedback gegeben. Wenn ich jetzt den Job, zu unterrichten, nicht mache, nur weil ich Angst habe, autoritär zu sein - das wäre Unsinn. Wenn das ein Stück weit meine Aufgabe ist, zu vermitteln, dann muss ich es halt einfach machen. Ich habe ja dann wirklich Spaß daran gefunden zu unterrichten.
Das ist wahrscheinlich eine Art von Berufung.
Maria Knebel: Ja, ich glaube auch. So wuchs ich mehr und mehr rein und daraus wurde schließlich die Lehrerin - obwohl ich das anfangs nicht wollte. Shiatsu trat dann eher in den Hintergrund.
Du hast anfangs also viel als Okido-Lehrerin gearbeitet. Die Form von Yoga ist nicht allen ein Begriff. Was macht sie aus?
Maria Knebel: Okido Yoga ist wie Kundalini Yoga oder Iyengar Yoga eine Schule. Okido Yoga verbindet japanischen Zen mit indischem Yoga. Es beinhaltet einige Zen-Aspekte der japanischen Kultur.
Die meisten denken jetzt vielleicht an japanische Disziplin. Das ist auch richtig, aber es ist die Mischung mit vielen spielerischen Momenten, auch Aspekten aus den Kampfkünsten, die mich begeistert hat und begeistert. Okido Yoga ist darüber hinaus auch meditativ und spirituell. Zudem spielte die japanische Kunst der Tuschmalerei (Sumi-e), der Blumensteckkunst (Ikebana) sowie Shiatsu und Ernährung in der Ausbildung eine große Rolle.
Nach der Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin und Yoga-Lehrerin hast du dich noch zur Heilpraktikerin ausbilden lassen. Warum?
Maria Knebel: Als Heilpraktikerin habe ich einen geschützten Rahmen, in dem ich praktizieren kann. Den habe ich als Shiatsu-Praktikerin nicht. Außerdem begann ich parallel auch schon die Ausbildung in Klassischer Homöopathie. Das war die Motivation für die Ausbildung zur Heilpraktikerin. Ich habe aber natürlich viel dabei gelernt, hab mich voll reingekniet in die Pathologie und Anatomie. Das hat mir viel für meine Arbeit gebracht. Allerdings - die Befugnis, die ich als Heilpraktikerin habe, bedeutet natürlich auch mehr Verantwortung.
Und zur Heilpraktikerin kam dann noch die CANTIENICA®-Ausbildung dazu. Woraus ergab sich das?
Maria Knebel: Dazu führten mich eigentlich zwei Gründe. Zum einen habe ich, nachdem ich 1995 nach Stuttgart gekommen bin, viel mit Schwangeren gearbeitet. Beckenboden war da ein großes Thema - dafür hatte ich bei einer Hebamme eine Ausbildung zu einem Beckenbodentraining gemacht. Ich merkte jedoch, dass das nicht genügt. Und dann hatte ich selbst mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ich hatte Borreliose, und damit einhergehend extreme Beschwerden im organischen und muskulären Beckenbereich.
Mir war klar, Yoga allein reicht mir jetzt nicht mehr. Ich muss einen anderen Weg finden. Ich hatte damals schon Bücher von Benita Cantieni gelesen und dachte, jetzt will ich mal wissen, was sie mit Aufspannung meint. Also habe ich mich direkt zu einem Ausbildungskurs für das CANTIENICA®-Beckenbodentraining angemeldet und später alle weiteren Ausbildungs-Bausteine folgen lassen.
Und das CANTIENICA®-Training hat dir persönlich geholfen?
Maria Knebel: Genau. Ich habe die Wirkung von CANTIENICA®-Training an mir selbst erfahren und deswegen bin ich auch so überzeugt. Ich habe sofort eine Besserung meiner Beschwerden bemerkt, dann hat es noch ca. acht Jahre gedauert, bis meine Beschwerden komplett verschwunden waren. Wenn man konventionell gar nicht mehr rankommt und sich eine Operation ersparen will, muss man natürlich Geduld mitbringen. Es waren kleine Schrittchen, aber ich spürte, ich bin auf dem richtigen Weg. Den wollte ich auch mit meinen Kursteilnehmerinnen gehen und so habe ich CANTIENICA® auch langsam ins Yoga eingebaut und meinen Unterricht entsprechend verändert.
Kannst du erklären, was CANTIENICA® vom Yoga eigentlich unterscheidet?
Maria Knebel: CANTIENICA® gibt dem Körper Sicherheit. Er wird physiologisch sinnvoll bewegt oder in der Haltung ausgerichtet. Sinnvoll für die Organe und Gelenke, so dass sie Raum haben und die Knochen nicht aneinander reiben. Die Blutgefäße sollen Platz haben, so dass der Blutfluss, der Kreislauf stabilisiert wird.
Die CANTIENICA®-Methode geht von der Anatomie und der Biomechanik aus und arbeitet immer aus der Schwerkraft heraus. Wie sind die Knochen ausgerichtet? Wo sind die Muskeln, ihre Verbindungen und Wege. Wie sieht das Wegenetz der Faszien aus? Dieser Ausgangspunkt und die entsprechenden Übungen verleihen den Übenden auch im Yoga mehr Sicherheit.
Zudem vertraut CANTIENICA® auf die Kraft der Vorstellung. Der Mensch musste sich ja erst mal vieles vorstellen. Flugzeuge wären nicht gebaut worden, wenn das Menschen nicht irgendwann schon im Kopf gehabt hätten. Wenn ich mir beispielsweise mit Hilfe von Bildern meinen Körper in Symmetrie vorstelle, folgt der Körper.
Ja, das ist wirklich faszinierend und die Übenden, die mit ihrer Vorstellung arbeiten, arbeiten eben nicht nur körperlich, sondern auch mental.
Maria Knebel: Ja, für mich ist dieser Aspekt das, was in der Schule des Okido Yoga als Positive Mental Concentration genannt wird. Ich presse beispielsweise meine Hände bei den Asanas in Stützposition nicht in den Boden, sondern stelle mir meinen Körper, seine Haltung und Bewegung, mit Hilfe von Bildern vor und arbeite aus der Schwerkraft heraus. Mit bewusstem Atem.
Auf diese Weise können wir neu lernen und das alte Körperprogramm ändern. Wir können Gleichgewicht, Stabilität und Flexibilität erreichen - nicht nur für den Körper, sondern auch für das, was im Japanischen Kokoro heißt, Herz, Geist, Seele.